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Berndt Seite wirft einen Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nicht nur seine eigene, sonderen auch auf Blick auf die Menschheit als Ganzes.

Frankfurter Mühlen

Frankfurter Mühlen

Sabine Gruber

Am 21. September 1814 schrieb Johann Wolfgang von Goethe aus seiner Heimatstadt Frankfurt an seine Frau Christiane: „Donnerstag d. 15ten. Visiten, bey Bethmann, Nicolaus Schmidt, Stedel. Mittag bey Brentano (Franz). Nach Tische herrliche Fahrt um die Stadt, auf den Mühlberg, zu Willemer auf die Mühle. Er war sehr freundlich, der Sonnenuntergang unendlich schön.“ Als Goethe den Mühlberg besuchte und von der nicht weit entfernten Gerbermühle – Wochenenddomizil Johann Jakob Willemers (1760-1838) und dessen späterer Frau Marianne (1784-1860), Goethes „Suleika“ – aus den Sonnenuntergang bewunderte, war die Erhebung im Osten Sachsenhausens nicht mehr vom unterhalb angesiedelten Müllergewerbe geprägt. Sie war vielmehr ein Ort, an dem reiche Frankfurter sich am Wochenende in schöner Umgebung und ein Stück vom Lärm der Großstadt entfernt, erholten. Seinen Namen hat der Berg, an dessen Fuß sich entlang eines alten Mainarms mehrere Mühlen befanden, von einer der dort gelegenen Mühlen, der Hohenrader Mühle, die die größte und wohl auch älteste der Frankfurter Wassermühlen war.

Wie wichtig das Müllergewerbe in früheren Zeiten nicht nur in Frankfurt war, kann man unter anderem an der Verbreitung des Namens „Müller“ erkennen, bei dem es sich um den häufigsten Familiennamen im deutschen Sprachraum handelt. Dies hängt damit zusammen, dass Brot und Getreidebrei in früheren Zeiten die wichtigsten Grundnahrungsmittel waren. Während in einigen Gegenden eher Windmühlen verbreitet waren, waren es in Frankfurt Wassermühlen und – vor allem im Mittelalter, aber auch noch in der frühen Neuzeit – auf dem Main befindliche Schiffsmühlen, die für lange Zeit das Aussehen des Flusses prägten. Neben den Schiffsmühlen gab es am Fluss auf Brücken gelegene Mühlen. Die Stellen des Mains, die dem Mühlenbetrieb dienten, wurden als „Mühlenwasser“ bezeichnet. Diese Mühlenwasser waren nach Johann Georg Battonn zunächst in kaiserlichem Besitz. Später befanden sich manche im Besitz einzelner Familien, die damit belehnt worden waren. So belehnte nach Battonn Kaiser Karl IV. im Jahr 1366 den „Ritter Rudolph von Sachsenhausen und seine Erben mit den Mühlenwassern oberhalb der Brücke, um ihn wegen seines im Dienste des Kaisers und des Reichs gemachten merklichen Aufwandes zu entschädigen“. Der Betrieb der „Mühlenwasser“ muss recht einträglich gewesen sein.

Neben den Wassermühlen gab es seit dem 14. Jahrhundert vor den Toren der Stadt auch Windmühlen, die Ludwig Kriegk 1862 in seinem Buch über „Bürgerzwist und Zustände im Mittelalter“ bereits als „Erscheinung“ bezeichnet, „welche mit einer einzigen Ausnahme (zu Kelsterbach) heut’ zu Tage sogar im weitesten Umfange um Frankfurt herum nicht mehr vorkommt“. Nach Kriegk gab es im 14. Jahrhundert bereits eine Windmühle an der Friedberger Landstraße. Eine weitere Windmühle wurde 1442 in der Allerheiligengasse errichtet. Neben den Wind- und Wassermühlen gab es einige von Pferden betriebene Mühlen. Darüber hinaus besaßen viele Haushalte von Hand betriebene Mühlen.

Dass das Müllergewerbe auch im 19. Jahrhundert noch kaum an Bedeutung eingebüßt hatte, zeigt eine für den 16. Mai 1877 in der „Zeitschrift deutscher Müller“ angekündigte Generalversammlung des Mittelrheinischen Zweigverbands des „Verbandes deutscher Müller und Mühlen-Interessenten“, die in repräsentativer Umgebung im Hotel Frankfurter Hof stattfand. Die Tagesordnung sah folgendes vor:

„1.) Bericht über das Rechnungswesen des Verbandes, erstattet von dem Kassirer Herrn O. Riedel in Darmstadt.

2) Vorstandswahlen.

3) Bericht des Mühlenbesitzers Herrn H. Gregory in Höchst a. M. über die 1876er General-Versammlung des Hauptverbandes in Nürnberg.

4) Vortrag des Vorsitzenden des Generalverbandes Herrn J. J. von den Wyngaert in Berlin über die neuesten Fortschritte im Mühlenwesen.

5) Freie Besprechung der Verhältnisse des Frankfurter Fruchtmarktes.“

Auch wenn die große Zeit der Mühlen im 20. Jahrhundert vorbei war, haben sich in den Frankfurter Stadtteilen einige Mühlen erhalten. Die Hildebrandmühlen am Osthafen, die unter anderem Aurora-Mehl herstellen, wurden sogar erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet und sind heute mit 130.000 Tonnen Mehl, Grieß und Schrot, die dort hergestellt werden, die größten Getreidemühlen Hessens. Allerdings war ihr Weiterbestehen lange in Gefahr bis die Stadt Frankfurt ihren Erhalt sichern konnte. So pittoresk wie die Frankfurter Schiffsmühlen ausgesehen haben müssen, sehen die eher industriell geprägten Gebäude allerdings nicht aus.

Von den zahlreichen Mühlen, die einst Frankfurt und seine Umgebung prägten, sind zwar nur wenige übriggeblieben, es gibt aber mehrere Straßennamen, die noch an den früher so wichtigen Wirtschaftszweig erinnern wie die Windmühlstraße, die im Bahnhofsviertel vom Untermainkai zur Gutleutstraße verläuft, die Gerbermühlstraße in Sachsenhausen und die Kaltmühlstraße in Heddernheim. An die heute verschwundenen Mühlen am Fuße des Frankfurter Mühlbergs erinnert neben den Sachsenhäuser Straßen „Auf dem Mühlberg“ und „Am Mühlkanal“ auch eine nach dem Berg benannte S-Bahn-Station in Sachsenhausen.

Windmühlstraße 1, Frankfurt

 

Frankfurt, Bahnhof Mühlberg

 

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Textquellen:

Die Deutsch-Ordens-Commende Frankfurt am Main. Ein Beitrag zu deren Geschichte, aus dem Nachlasse des Inspectors Andreas Niedermayer herausgegeben im Namen des Vereins für Geschichte und Alterthums-Kunde zu Frankfurt a. M. von dessen Director Justizrath Dr. Euler. Frankfurt a. M., 1874.

Die Mühle: Organ des Verbandes deutscher Müller und Mühleninteressenten, Die neuesten Fortschritte im Mühlwesen und den damit verwandten Geschäftszweigen, 14. Jg. Nr. 20., 1877, S. 158.

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Goethes Werke. Weimarer Ausgabe. IV. Abteilung. 25. Bd. Goethes Briefe. 1814/15. Weimar 1901

Kriegk, Ludwig: Bürgerzwist und Zustände im Mittelalter: Ein auf urkundlichen Forschungen beruhender Beitrag zur Geschichte des deutschen Bürgerthums, Frankfurt a. M., 1862.

Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main von Johann Georg Battonn: Aus dessen Nachlasse herausgegeben von dem Vereine für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfut a. M. durch den zeitigen Director desselben Dr. jur. L. H. Euler, Erstes Heft, Frankfurt a. M., 1861.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Gerberm%C3%BChle< abgerufen am 12.10.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCller_(Familienname)< abgerufen am 12.10.2022.

>https://www.fr.de/frankfurt/wohnen-in-frankfurt-sti903943/getreidemuehle-mahlt-weiter-11680785.html< abgerufen am 12.10.2022.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Frankfurt_Gerbermühle_1862, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Die_Gartenlaube_(1877)_b_805: „Die Gerbermühle bei Frankfurt am Main" via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Maquette_Schipmolen: Model of German shipmill im Deutschen Museum, 2012, Urheber: Zandcee via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Aurora in Mannheim, 2008, Urheber: Nanosmile via Wikimedia Commons CC BY 2.0 de.

Frankfurt am Main, Windmühlstraße 1, 2012, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.

Bahnhof_Frankfurt_(Main)_Mühlberg-_auf_Bahnsteig_zu_Gleis_1-_Richtung_Frankfurt_(Main)_Hauptbahnhof_(S-Bahn_Rhein-Main_420_784-1)_16.6.2012, Urheber: Jivee Blau via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Gerbermühle_Aussenansicht, 2017, Urheber: Gnilgneuj S. via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.

 

 

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