Anna Hein
Schon im Jahre 1241 war in Frankfurt eine Judenverfolgung, die man die erste Judenschlacht nannte.
Der Sohn eines Juden wollte Christ werden, wurde jedoch von seinen Verwandten und Freunden daran verhindert. Darüber entstand Streit zwischen den Christen und Juden, wobei einige Christen getödtet wurden. Und nun kam es zu einem gräßlichen Blutbade, wobei 180 Juden ums Leben kamen. In der Verzweiflung zündeten die Juden ihre Häuser an, weil sie lieber sich und ihre Habseligkeiten im Feuer umkommen sehen wollten, als in der Feinde Hände fallen. Während nun die Christen sich rasender Mordlust überließen, griff das Feuer immer weiter um sich und verzehrte fast den halben Theil der Stadt. Die noch übrigen Juden, etwa 24, worunter auch ihr Rabbiner, ließen sich darauf in der Todesangst taufen.
Noch schlimmer ging es zu im Jahre 1349, bei der sogenannten zweiten Judenschlacht. Der Haß gegen die Juden und die Lust nach ihren Geldsäckeln erfanden die Sage, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und sie seien Schuld an der Pest, die Deutschland verwüstete.
Nun waren gerade die Geißler in Frankfurt, die das Volk, das ohnehin schon erbittert gegen die Juden war, noch mehr gegen dieselben anreizten.
Damals war das Judenquartier noch in der Nähe des Doms, woselbst auch das Rathhaus stand.
Als nun die auf Raub ausgehenden Geißler nicht anders zu den Geldkasten der Juden gelangen konnten, legten sie Feuer in der Judengasse an, und verführten ein Geschrei, als seien sie von den Juden angetastet worden. Ehe es aber zu thätlichen Angriffen kam, sah man mit Schrecken aus den hölzernen, schindelbedeckten Häusern die Flammen emporschlagen, die rasch um sich griffen und einen großen Theil der südlichen Stadt nach dem Main zu in ein Feuermeer verwandelten.
Nun flohen die Geißler mit Geheul durch die Straßen und verbreiteten die Sage: ein reicher Jude, Namens Storck, der dem Rathhaus gegenüber gewohnt, habe einen feurigen Pfeil in das Rathhaus abgeschossen, wodurch der Brand entstanden sei.
Man griff wohl zu Lösch- und Rettungsgeräten, aber auch zu den Waffen. Der Anblick der brennenden Häuser und der jammernden Juden trieb die Wuth auf´s Äußerste. Ohne Mitleid wurden diese, Männer, Weiber und Kinder, niedergestoßen, in die Flammen gejagt - oder stürzten sie sich auch selbst hinein.
Die Geißler aber benutzten die allgemeine Verwirrung und plünderten.
Das Haus - der Südseite der Domkirche gegenüber - worin jener Jude Storck gewohnt haben soll, ist gegenwärtig ein Wirtshaus und führt den Namen „zum Storch" - erinnernd an jenes Bild aus der „guten alten Zeit".
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Textquelle: Karl Enslin: Frankfurter Sagenbuch. Sagen und sagenhafte Geschichten aus Frankfurt am Main. Neue Ausgabe. Frankfurt a. M., H. L. Brönner 1861, S. 45 f.
Bildquelle: Judengasse und Dominikanerkloster aus Matthäus Merians "Merianplan. Vogelschauplan von Frankfurt am Main" 1628. gemeinfrei, wikipedia