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Im Lerchenwald

"Je älter ich werde, umso mehr erscheint mir
mein Lebensgebäude hell erleuchtet,
aber es ist leer, nur in einem Raum steht
ein kleiner Karton mit Erkenntnis.
Er bleibt dort, bis die neuen Mieter einziehen."

Diese Zeilen sind der Aphorismensammlung vorangestellt und deuten bereits darauf hin, dass die einzelnen vielfältigen Verse und Gedanken die Gesamtheit eines ereignisreichen Lebens widerzuspiegeln suchen.
"Das Leben ist ein Abenteuer, denn niemand weiß, wie es ausgeht."

Das Melemsche Hausbuch

Das Melemsche Hausbuch

Sabine Gruber

Im Jahr 1522 heirate der Frankfurter Bürger Oger (auch Ogir, Oyer oder Ogier) von Melem (1499-1575) Katharina Brun von Braunfels (gest. 1574), die einer sehr wohlhabenden Frankfurter Patrizierfamilie entstammte. Dass sich bei der Hochzeit zwei reiche Familien miteinander verbanden, zeigt nicht zuletzt der Ehevertrag, der in komplizierten Berechnungen darlegte, dass Katharina Brun ihrem künftigen Ehemann bei der Eheschließung "fl. [Florin] 1000, worunter 1/4 und 1/4 halb minder 1/10 vom Haus Braunfels mit 16 Betten. geachtet gleich fl. 500" geben und er es "ihr mit fl. 1000" widerlegen solle. Mit der Heirat wurde Oger von Melem und seine künftigen Nachkommen außerdem in die Patriziergesellschaft "Alten-Limpurg" aufgenommen.

Oger von Melem fand nicht nur eine wohlhabende Frau aus einer angesehenen Frankfurter Familie, sondern machte später auch eine bedeutende Karriere in der Frankfurter Stadtpolitik. Im Jahr 1540 wurde er Schöffe und in den Jahren 1545, 1550 und 1553 älterer Bürgermeister, also Stadtoberhaupt, Frankfurts. Unter anderem vertrat er in diesen Jahren die Stadt bei mehreren Reichstagen. Nach seinem Tod im Jahr 1575 wurde Oger von Melem auf dem damaligen Frankfurter Stadtfriedhof, dem Peterskirchhof, begraben.

Für den Patrizierhaushalt der Familien Melem und Brun wurde um das Jahr 1550, das Jahr, in dem Oger von Melem zum zweiten Mal älterer Bürgermeister Frankfurts wurde, ein repräsentatives genealogisches und chronikalisches Hausbuch im Stil der Zeit angelegt, in dem immer wieder der rote Krebs, das Wappentier der Familie von Melem, zu sehen ist.

Das Wappentier verweist auf den ersten Wohnsitz der Familie in Frankfurt, das Haus zum Krebs am Fahrtor. Ursprünglich stammte die Familie Melem aus Köln und ihre Angehörigen waren Tuchhändler, die regelmäßig zu den Frankfurter Messen kamen und sich bereits vor ihrem Umzug gut in der Stadt auskannten. Die auf Oger von Melem und Katharina Brun folgenden Generationen ließen Ergänzungen an dem Hausbuch vornehmen und beauftragten über die Jahrzehnte hinweg Buchkünstler mit dessen Illustration. Die meisten Illustrationen stammen von Heinrich Lautensack (1522-1568) aus Bamberg. Anders als manche anderen zeitgenössischen Hausbücher, die über die Jahrhunderte verloren gingen, zerstört oder beschädigt wurden, blieb das Melemsche Hausbuch bis heute in einem guten Zustand erhalten, und nicht nur das, es ist darüber hinaus auch besonders prächtig und eine wichtige Quelle zum Leben der Frankfurter Patrizier in der frühen Neuzeit mit zahlreichen interessanten Details.

Auf den 71 Blättern des Buches finden sich neben einer einleitenden Ahnentafel der beiden Familien eine in Aquarelltechnik ausgeführte Bilderchronik der Angehörigen der Familien Melem und Brun mit ihren Ehepartnern (und gegebenenfalls anderen Angehörigen), die Wappen der beiden Familien und handschriftliche Lebensläufe, in denen sich trotz ihrer einfachen, chronikalischen Form interessante alltags- und kulturgeschichtliche Details verbergen. Besonders interessant ist die detailgetreue und sehr farbenfrohe Wiedergabe der Trachten, weshalb das Melemsche Hausbuch eine der wichtigsten Quellen zur Kleidung der Frankfurter Oberschicht in der frühen Neuzeit ist. Die Einträge erstrecken sich über zweieinhalb Jahrhunderte. Der letzte Angehörige der Familie, der noch den Namen von Melem trug, war Philipp Ludwig (1604-54). Danach setzte sich die Familientradition unter dem Namen von Mühlen fort. Die Einträge in das Hausbuch endeten jedoch bereits um das Jahr 1637. Vorbild für das Melemsche Hausbuch waren neben anderen zeitgenössischen bürgerlichen Hausbüchern wie dem des Nürnbergers Bartholomäus Haller von Hallerstein, vor allem genealogische Darstellungen von Adelsfamilien, denen nicht nur die Frankfurter Bürger damals in ihrer Repräsentation nacheifern wollten.

Das Melemsche Hausbuch wird heute im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte aufbewahrt. An die berühmte Frankfurter Familie erinnert neben ihrem erhaltenen Hausbuch auch ein Straßenname: Die Melemstraße verläuft in Frankfurt Nordend von der Eysseneckstraße zur Eschersheimer Landstraße.


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Textquellen

Frankfurt-Lexikon. Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer. Sechste, neubearbeitete Ausgabe. Frankfurt a. M. 1973

Euler, Heinrich : Das steinerne Haus und die Familie von Melem. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt a. M. 1. Bd. Frankfurt 1860, S. 219-232.

Frost, Reinhard: Im Zeichen des Krebses. Die Frankfurter Kaufmannsfamilie Melem. In: Spurensuche in Sprach- und Geschichtslandschaften. Festschrift für Ernst Erich Metzner. Hrsg. von Andrea Hohmeyer, Jasmin S. Rühl und Ingo Wintermeyer. Münster 2003, S. 179-191

Hansert, Andreas: Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main. Geschichte des reichsstädtischen Patriziats. Köln/ Weimar/ Wien 2014

Lerner, Franz: „Melem“. In: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 14 abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/pnd12222499X.html#ndbcontent< am 26.6. 2020.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Melemsches_Hausbuch< abgerufen am 26.6. 2020.

>http://www.frankfurt-nordend.de/str/str_melemstr.htm< abgerufen am 26.6. 2020.


Bildquellen:

Vorschaubild: Seite mit Jakob Heller zu Nürnberg und Katharina Melem, etwa 1550, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Wappen der Familie Melem, 1605, Urheber: Johann Siebmacher via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Das 1840 abgerissene Fahrtor, Urheber: Johann Georg Malß; Historisches Museum Frankfurt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

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