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Florian Russi

St. Valentin und die Liebenden

Viele vermuten hinter dem Valentinstag eine Erfindung der Neuzeit, um das Geschäft der Floristen anzukurbeln. Nur die wenigsten wissen, wer sich hinter dem Namensgeber St. Valentin verbirgt.
Florian Russi geht in dieser Broschüre der Sage um den Tag der Liebenden auf den Grund. Er stößt auf die tragische Liebesgeschichte und einen Mönch mit grünem Daumen.

Frankfurter Stadtrecht

Frankfurter Stadtrecht

Ralph Zade

Was ist Frankfurter Stadtrecht? Wenn man heutzutage im Internet danach sucht, findet man unter diesem Titel eine Webseite der Stadt Frankfurt zu den wichtigsten Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Stadt. Frankfurter Stadtrecht gibt es also immer noch, allerdings können heute nur noch wenige Rechtsmaterien von der Stadt geregelt werden. Der größte Teil des Rechts, das (auch) in Frankfurt gilt, ist Bundesrecht oder Recht des Bundeslandes Hessen. Für die Stadt Frankfurt bleibt nicht allzu viel zu regeln übrig – nämlich das, was eine Gemeinde regeln kann, denn eine solche ist die Stadt, wenn auch eine besonders große.

Die Regelungsmöglichkeiten waren nicht immer so begrenzt. Wie im Rest Deutschlands trat auch in Frankfurt erst im Jahre 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft, das das Zivilrecht und damit einen sehr wesentlichen Teil der Rechtsordnung in ganz Deutschland einheitlich regelte. Bis dahin aber galten in ganz Deutschland insofern die Rechte der Teilstaaten. Frankfurt war zwar seit 1866 keine Freie Stadt mehr und ab 1868 Teil der neu gebildeten Provinz Hessen-Nassau des Königreichs Preußen, aber das Frankfurter Recht galt bis 1900 fort.

Die Ursprünge dieses Frankfurter Rechts, das sich als das Recht der Freien Reichsstadt Frankfurt im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation entwickelt hatte, liegen im Mittelalter. Zunächst gab es Verordnungen des Rats der Stadt Frankfurt, die einzelne Dinge regelten und unverbunden nebeneinander standen. Irgendwann fing man an, diese Verordnungen zu sammeln und in „Gesetzbüchern“ zusammenzufassen. Diese Bücher boten einen leichteren Zugriff auf die Rechtsnormen, aber sie stellten sie nicht systematisch zusammen, sondern reihten sie einfach aneinander.

In der zweiten Hälfte des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts rezipierte man in Frankfurt – wie auch im Rest Deutschlands – verstärkt das römische Recht. Unter „römischem Recht“ oder auch „gemeinem Recht“ verstand man das Recht, das auf das Recht der römischen Antike zurückging, und das im 6. Jahrhundert durch den Oströmischen Kaiser Justinian im Corpus Iuris Civilis zusammengefasst worden war. Dieses Recht war in Mittelalter und Frührenaissance durch Juristen in Oberitalien, vor allem in Bologna, erläutert und systematisiert worden. Es übte auch in Deutschland einen starken Einfluss aus. Dadurch wurde nun auch im Frankfurter Recht ein Systematisierungsprozess angestoßen.

Eine Schlüsselrolle spielte dabei Adam Schönwetter von Heimbach (1465-1519), der auch unter der latinisierten Namensform Adam Serenaurus bekannt ist. Schönwetter stammte aus Oberheimbach in der Nähe von Bingen, von wo aus sein Vater nach Frankfurt einwanderte und Stadtsyndikus wurde. Adam folgte dem Beispiel seines Vaters und wurde Jurist. 1491 erhielt er das Frankfurter Bürgerrecht, zwei Jahre später wurde er Stadtadvokat und war 1495 kurzzeitig Advokat am neu gegründeten Reichskammergericht, dem wichtigsten Gericht des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, das heute die meisten mit Wetzlar verbinden, wo es später lange seinen Sitz haben sollte. Gegründet wurde es aber in Frankfurt. Diesen für die damalige Zeit sehr qualifizierten Juristen beauftragte der Rat der Stadt damit, eine systematische Zusammenfassung des Frankfurter Rechts zu erarbeiten und dabei, wo nötig, Anpassungen an das römische Recht vorzunehmen. Das tat Schönwetter, und so erschien 1509 die „Frankfurter Reformation“, d. h. die reformierte Version des Frankfurter Stadtrechts. (Mit der Kirchenreformation, die nicht sehr viel später auch Frankfurt erreichen sollte, hatte diese Gesetzessammlung also nichts zu tun.) Die Frankfurter Reformation sollte für die kommenden 400 Jahre die Grundlage des Frankfurter Stadtrechts bilden.

69 Jahre später, im Jahre 1578, gab es unter dem Titel „Der Statt Franckfurt am Mayn erneuerte Reformation“ eine erweiterte Fassung des Stadtrechts, die noch stärker vom römischen Recht geprägt war. Verantwortlich für diese Fassung, die bis 1900 in Geltung bleiben sollte, war Johann von Fichard (1512-81), ein gebürtiger Frankfurter, der einer der großen Juristen seiner Zeit war. Fichard war der Sohn eines Gerichtsschreibers und durch die Hochzeit mit Elisabeth Grünberger, einer Patriziertochter, ins Frankfurter Großbürgertum aufgestiegen. Er hatte in Heidelberg und Frankfurt studiert, dann eine Zeitlang am Reichskammergericht (das sich inzwischen in Speyer befand) gearbeitet und war in den 30er Jahren Frankfurter Stadtsyndikus geworden. Ebenfalls in den 30er Jahren hatte er sich dann in Oberitalien aufgehalten, wo er, besonders an der Universität Padua, die eine der führenden der Zeit war, seine Kenntnisse im römischen Recht vertiefen konnte. Fichard, der 1541 geadelt wurde, vertrat Frankfurt auf den Reichstagen und war nicht nur als Jurist, sondern auch politisch eine einflussreiche Persönlichkeit. Sein überarbeiteter Entwurf des Frankfurter Stadtrechts basierte auf dem 1570 erschienenen Solmser Landrecht, das ebenfalls eine Schöpfung von ihm war.

Über die Vorgängerfunktion für die erweiterte Frankfurter Reformation hinaus erlangte das Solmser Landrecht auch dadurch eine Bedeutung für Frankfurt, dass der Rat 1728 beschloss, es nachrangig (d. h. für Fragen, zu denen das Frankfurter Recht keine Vorschriften enthielt) für die zu Frankfurt gehörenden Dörfer einzuführen. Das hatte seinen Sinn darin, dass das Stadtrecht für viele Situationen, die im ländlichen Raum auftraten, keine Regelungen vorsah.

Das 18. Jahrhundert brachte auch in anderer Hinsicht noch einmal eine Weiterentwicklung: Johann Philipp Orth (1698-1783), ein Frankfurter, der an der Universität Halle promoviert worden war, veröffentlichte das Werk „Nöthig- und nützliche-erachtete Anmerckungen Über die Erneuerte Reformation Der Stadt Franckfurt am Mayn. Worinnen ein Versuch getahn wird Auf was Weise Vorerwehntes Stadt-Recht gründ-und deutlich erkläret und erläutert“. 1731 erschien der Hauptband, bis 1775 gab es dann noch vier Fortsetzungsbände und einen Band Zusätze. Das Werk, dessen historische Teile auch der junge Goethe las – Goethe wurde dann ja auch Jurist, wenn auch ohne große Leidenschaft – bot einen umfangreichen Kommentar zum Frankfurter Recht.

Ein letztes Großwerk zum Frankfurter Recht erschien 1824 unter dem Titel „Das Privatrecht der freien Stadt Frankfurt. In systematischer Ordnung vorgetragen“ (mit einem Nachtragsband zum Zivilprozess von 1832). Es war das Werk von Justinian von Adlerflycht (1761-1831), einem Juristen, der aus einer Frankfurter Patrizierfamilie mit schwedischen Wurzeln stammte, und enthält eine stärker systematisierende Kommentierung, die auch die Verfassung der seit 1815 existierenden Freien Stadt Frankfurt berücksichtigt.

Die rechtshistorische Bedeutung Frankfurts macht es zum geeigneten Standort für das 1964 gegründete Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie (bis 2020 Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte) dessen Gründungsdirektor Helmut Coing aufgrund einer Arbeit zur Frankfurter Reformation promoviert wurde; seine Habilitationsschrift befasste sich mit der Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt. Die am Institut verfolgten Forschungsinteressen erstrecken sich heute allerdings auf die ganze Welt. Das historische Frankfurter Stadtrecht spielt dabei – wie auch im öffentlichen Bewusstsein – kaum noch eine Rolle.

 

 

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Textquellen:

Dissertation des Rechtshistorikers Helmut Coing aus dem Jahre 1935 – ein Standardwerk zur „Frankfurter Reformation“: abgerufen von >http://repertorium.at/sl/coing_frankfref_1935.html< am 24.04.2023.

Adam Schönwetter von Heimbach in der Allgemeinen Deutschen Biographie: abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/pnd138375275.html< am 24.04.2023. 

Schembs, Hans-Otto: Fichard, Johann (von) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/2592< am 24.04.2023.

Johann Philipp Orth in der Deutschen Biographie abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/pnd117148512.html< am 24.04.2023.

Frost, Reinhard;Hock, Sabine: Adlerflycht, Justinian von in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/366< am 24.04.2023.

Text der Frankfurter Reformation in der Version von 1509 (mit Einleitung): abgerufen von >http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Reformacion%20der%20Stat%20Franckenfort1509.pdf< am 24.04.2023.

 

Bildquelle:

Vorschaubild: Titelblatt des Frankfurter Zivilgesetzbuches „Der Stadt Frankfurt erneuerte Reformation“ aus dem Jahr 1578, Urheber: unbekannt; Historisches Museum Frankfurt am Main via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

 

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