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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Das Haus zum Karpfen in Frankfurt-Höchst

Das Haus zum Karpfen in Frankfurt-Höchst

Sabine Gruber

Eigentlich waren Marktschiffe eine seit dem Mittelalter bestehende Möglichkeit als Kunde/Kundin oder Händler/Händlerin für damalige Verhältnisse schnell und unkompliziert in Richtung größerer Märkte zu reisen, manche nutzten sie aber auch nur zum Vergnügen und als günstige Möglichkeit, Ausflüge zu machen. Für Letzteres verwendete auch der junge Goethe das Marktschiff, das zwischen Höchst und Frankfurt verkehrte und das eigentlich den Zweck hatte, Marktbesucher und -besucherinnen aus Höchst nach Frankfurt und wieder zurück zu transportieren. Goethe benutzte das Schiff, wie er in „Dichtung und Wahrheit“ beschreibt, in umgekehrter Richtung: „Zu Höchst stiegen wir aus, wo zu gleicher Zeit das Marktschiff von Mainz eintraf. In einem Gasthofe fand man eine gut besetzte Tafel, wo die Besseren der Auf- und Abfahrenden mit einander speisten und alsdann jeder seine Fahrt weiter fortsetzte: denn beide Schiffe gingen wieder zurück. Wir fuhren dann jedesmal nach eingenommenem Mittagsessen hinauf nach Frankfurt und hatten in sehr großer Gesellschaft die wohlfeilste Wasserfahrt gemacht, die nur möglich war.“ Die Pause zwischen den beiden Schifffahrten entstand allerdings nicht etwa, um den Fahrgästen Zeit für Vergnügungen zu schaffen, sondern weil währenddessen die Zollbriefe für das Schiff vorgelegt werden mussten.

Während diejenigen, die finanziell so gut ausgestattet waren wie der junge Goethe, die entstandene Pause nutzten, um es sich in den Gasthäusern der Höchster Altstadt gut gehen zu lassen, konnten weniger Zahlungskräftige während des Aufenthalts wohl nur spazieren gehen oder Bekannte treffen. Ludwig Börne beschrieb es in einem Brief an seine Freundin und Vertraute Jeanette Wohl freilich so, als hätten die Fahrgäste gar keine andere Wahl gehabt als einzukehren: „Im [!] Höchst, lauerten ein Karpfen und ein schwarzer Bär, um die aussteigende Schiffsmannschaft zu verschlingen. Es giebt nichts komischeres, als die beiden Wirthinnen, deren Gasthäuser gegen einander über liegen, an der Thüre stehen, und sich, je nach ihrer Gäste=Zahl, neidische oder schadenfrohe Blicke zuwerfen zu sehen. Mich verschlang der Bär, der aber so fromm war, mir für den nicht getrunkenen Wein keine Bezahlung abzunehmen: das erste Beispiel solcher Grosmuth, das ich in einem Gasthause erfahren.“ Während an der Stelle des Gasthauses „Zum Karpfen“ an der Ostseite des Schlossplatzes in der idyllischen und weitgehend erhaltenen Höchster Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert heute ein Neubau steht, dessen Erscheinungsbild dem des alten Gasthauses stark angenähert wurde, ist das einst konkurrierende Gasthaus „Zum Bären“ immer noch im Original vorhanden. Das Gebäude beherbergt auch heute noch ein Gasthaus.

Im alten Haus „Zum Karpfen“, ursprünglich ein gotisches Fachwerkhaus, befand sich bereits um 1500 ein Gasthaus. Im Jahr 1633 musste es erstmals neu errichtet werden, weil es während des Dreißigjährigen Krieges zu stark beschädigt worden war. Während der folgenden Jahrhunderte wurden mehrfach Umbauten am Haus vorgenommen. Einen Eindruck des Gasthauses wie es sich im 19. Jahrhundert präsentierte, vermittelt eine Anzeige aus der Frankfurter Oberpostamtszeitung vom 23. Juli 1816, in der die Versteigerung des Gebäudes angekündigt wurde. Darin ist die Rede von dem „sehr geräumige[n] mit Stallung, Scheuer, großem Hof und Garten versehene[n] Gasthof zum goldenen Karpfen in Höchst am Main, welcher mit allem zur Gastwirthschaft auf die gemächlichste Art eingerichtet“ sei. Verwiesen wird auch auf die „vortheilhafte Lage“ des Gebäudes nahe am Mainstrom, „durch die immerwährende Schifffahrt, vorzüglich aber durch die beiden Marktschiffe, die täglich von Frankfurt und Mainz kommen“, die hohe Einnahmen versprach.

1973 musste das Haus „Zum Karpfen“ ein zweites Mal aufgrund von Baufälligkeit abgerissen werden. Es wurde mit modernen Materialien wie Eisen und Beton neu errichtet und wird jetzt als Wohnhaus genutzt. Auch aus einiger Entfernung ist es schon gut zu erkennen, denn in der Schiefertäfelung des obersten Geschosses erinnert ein überlebensgroßer Karpfen aus Schieferplatten an das ehemalige Gasthaus. Wie das Gasthaus „Zum Bären“ sah der „Karpfen“ im Laufe seiner Geschichte unzählige Gäste, und darunter auch einige Berühmtheiten. Im Fall des „Karpfens“ waren das Albrecht Dürer, der dem damals noch recht neuen Gasthaus im Jahr 1520 während seiner niederländischen Reise einen Besuch abstattete, Mozart in Begleitung seines Vaters und seiner Schwester, die während ihrer Europa-Tournee im Jahr 1763 hier einkehrten, und nicht zuletzt Goethe der bei einem seiner Höchst-Aufenthalte aus dem Blickwinkel des „Karpfens“ eine gekonnte Zeichnung des Höchster Schlosses anfertigte. Das Schloss mit Gebäuden ab dem 14. Jahrhundert gehörte damals noch den Mainzer Erzbischöfen, die bis 1802 in Höchst die Herrschaftsrechte innehatten.

 

Adresse

Höchster Schloßplatz 11

65929 Frankfurt am Main

 

 

*****

Textquellen

Börne, Ludwig; Wohl, Jeanette: Briefwechsel (1818-1824), Edition und Kommentar: Heuer, Renate; Schulz, Andreas (Hrsg), Berlin/Boston, 2012.

Goethe, Johann Wolfgang: Autobiographisches: Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, Erster Teil, Goethes Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Bd. 9, Hamburg, 1959.

Lücke, Elisabeth: Frankfurt am Main: Neue Rundgänge durch die Geschichte, Erfurt, 2012.

Seib, Adrian: Frankfurt am Main: Architektur und Kunst, Reclams Städteführer, Stuttgart, 2020.

Gasthaus- und Hof-Versteigerung in Höchst am Main in: Frankfurter Ober Postamts Zeitung, Nr. 205, Dienstag, den 23. Juli 1816.

Verborgene Kostbarkeiten in Frankfurter Stadtteilen und Vororten, Frankfurt a. M., 1991.

Höchst sehenswert: Eine Veröffentlichung der Initiative Pro Höchst e. V. Frankfurt a. M. 2019 abgerufen von >https://www.pro-hoechst.de/fileadmin/archiv/pro-hoechst/pro_hoechst_broschuere.pdf< am 02.07.2023.

>https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6chster_Altstadt< abgerufen am 02.07.2023.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hoechster_Schloss_Zeichnung_von_J.W._Goethe.jpg< abgerufen am 02.07.2023.

>https://www.zumbaeren.net/gasthaus-zum-baeren/anno-1799/< abgerufen am 02.07.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Ehemaliges Gasthaus „Der Karpfen“ am Schloßplatz in Frankfurt-Höchst, 2006, Urheber: EvaK via Wikimedia Commons CC BY-SA 2.5.

Der Höchster Schloßplatz um 1900, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

 

 

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