Frankfurt-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Frankfurt-Lese
Unser Leseangebot

Klaus Beer

Zwei Welten

Kurz vor dem Mauerbau kommt Klaus Beer mit Frau und Kind in den „goldenen Westen“. Der Autor erzählt von seinen persönlichen Erlebnissen im geteilten Deutschland - in den „Zwei Welten“. Das Buch endet mit der Wiedervereinigung.

"Strizz" von Volker Reiche

Ralph Zade

Der Grüneburgweg im Westend war schon während des Frankfurter Häuserkampfs Schauplatz von Straßenschlachten – im Mittelpunkt einer der ersten Auseinandersetzungen dieser Art stand das Haus 113. Straßenschlachten anderer Art focht hier Jahrzehnte später Herr Paul mit seinem ewigen Rivalen Wolle aus. Da es sich bei diesen Persönlichkeiten um Kater handelt, war das Presseinteresse hieran gering. Eine Ausnahme bildet jedoch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, in der der Comic „Strizz“ erschien, in dem die Herren Paul und Wolle – dass auch letzterer ein Herr ist, mag man bezweifeln, denn er stammt aus eher einfachen Verhältnissen – ihre Revierkämpfe austrugen. Hier erfolgte seit 2002 eine unter der Woche tägliche Berichterstattung, die sich freilich nicht nur auf die Kater, sondern auf das ganze Universum erstreckte, das der Zeichner Volker Reiche um den namensgebenden Haupthelden „Strizz“ herum – wie dieser mit Vornamen heißt, weiß man nicht – erfunden hat. Ein Universum, das man inzwischen auch dann erfahren kann, wenn man kein FAZ-Leser ist, denn es ist eine Reihe von Büchern erschienen, die die ursprünglich für die Tageszeitungsveröffentlichung gemachten und deshalb mit aktuellen Bezügen gespickten Comics als Sammelausgaben zusammenfassen.

Der 21. Mai 2002 war der Tag, an dem die erste Folge der in den ersten Jahren (bis Anfang 2009) täglich von Montag bis Freitag zweizeilig abgedruckten Serie erschien. Teil des Konzepts war dabei, dass die Serie in Deutschland spielte – aus Straßennamen wie dem des Grüneburgweges wurde dabei klar, dass der Schauplatz Frankfurt ist, selbst wenn die Stadt in den ersten Jahren nie explizit genannt wurde. Und noch wichtiger war der genannte Aktualitätsbezug, der nur möglich wurde, weil Volker Reiche nicht auf Vorrat zeichnete, sondern tagesaktuell, sodass es möglich wurde, kurzfristig zu reagieren.

Das Personal der Serie besteht aus einem Tableau von menschlichen und tierischen Charakteren, die allesamt eine gewisse Skurrilität gemeinsam haben. Strizz, dessen Namen Volker Reiche u. a. deshalb auswählte, weil es unter diesem Namen noch keine registrierte Webpage gab, ist ein Buchhalter, der seinen Chef, Herrn Leo, der eher wie ein Buchhalter wirkt als Strizz selbst, mit seinen Einfällen und Kapriolen so manches Mal zur Weißglut treibt, letztlich aber doch von ihm geschätzt wird. Die Arbeit hat Strizz allerdings nicht mit Löffeln gefressen und versucht alles, um sich vor allem vor den immer wieder anstehenden Überprüfungen von Hartlaub-Kalkulationen zu drücken. Häufig liest er die Zeitung, was immer wieder Anspielungen auf das Nachrichtengeschehen ermöglicht. Irmi, die Strizz 2002 bei einem auf einer Doppelseite ausgebreiteten Rendezvous kennenlernte, und die er 2006 ehelichte, erhielt ihren Namen nach der Frau von Volker Reiche. Am Tag des Endspiels der Fußball-WM 2006 gebar sie Strizz Zwillinge. Rafael, Strizz‘ kleiner Neffe, der gemeinsam mit seinen Stofftieren ein philosophisches Sextett bildet, neben seiner oftmals frechen Spielgefährtin Clara geradezu zurückhaltend wirkt und nebenher ein Schokoladenmuseum führt, steuert immer wieder Sentenzen bei, die zum Nachdenken, zum Lachen oder zu beidem anregen. Dazu kommen als Nebenfiguren Irmis Mutter Paula und der Archivar von Herrn Leo, Herr Berres, der eine Ratte als Haustier hält und meint, dass er unkündbar sei. Nicht zu vergessen die nicht weniger wichtigen tierischen Bewohner des Strizz-Kosmos: Neben den schon genannten Katern Paul und Wolle – der mit einem machiavellistischen Instinkt ausgestattete Herr Paul liegt nicht nur mit letzterem, sondern auch mit einigen Jungkatern am Grüneburgweg in Dauerfehde – ist das vor allem der Hofhund Tassilo, der sich mittels des Dichtens von Haikus poetisch betätigt, und Irmis Dackel Müller, der mit so manchem moralisierenden Einwurf die Machtgelüste von Herrn Paul infrage stellt.

Volker Reiche, der Schöpfer dieser Welt, wurde 1944 in Brandenburg geboren, kam aber schon in seiner Jugend nach Königstein im Taunus, wo er bis heute lebt. Er studierte zunächst Jura bis zum Staatsexamen, bevor er Zeichner und Maler wurde. Vorübergehend zeichnete er Donald-Duck-Comics und arbeitete auch für die Satirezeitschriften „Titanic“ und „Pardon“, bevor er ab 1985 für lange Jahre den „Mecki“ für die „Hörzu“ zeichnete, was ihn in der Comicszene bekannt machte und ihn als Zeichner für regelmäßig in Zeitschriften erscheinende Comics auswies. Anders als Strizz wurde Mecki allerdings nicht von ihm erfunden. Ein paar andere Comic-Serien kamen hinzu, einer großen Öffentlichkeit auch namentlich bekannt geworden ist Reiche aber erst durch Strizz. Nicht alles, was Reiche macht, ist witzig – in seiner autobiographischen Graphic Novel „Kiesgrubennacht“ setzt er sich kritisch mit der Nazi-Vergangenheit seiner Eltern auseinander und auch seine Malerei überschreitet den Horizont des Komischen.

Strizz, der in Silvesterausgaben der FAZ mehrfach koloriert in Langfolgen auftreten durfte, hatte auch nach der Einstellung der täglichen Erscheinungsweise im Jahre 2009 weiterhin seinen Platz in Druckpublikationen der FAZ-Verlagsgruppe, selbst wenn es hin und wieder Unterbrechungen gab. Zu seiner Bekanntheit, auch über Frankfurt und die FAZ-Leserschaft hinaus haben aber maßgeblich auch Buchpublikationen beigetragen. Neben den Jahresbänden, die die in der FAZ innerhalb eines Jahres erschienenen Folgen zusammenfassen, sind das auch Auswahlausgaben, wie eine kolorierte, 2022 in der Reihe „Die Bibliothek der Comic-Klassiker“ des Carlsen-Verlages erschienene. Die Einordnung trifft zu, denn Strizz ist mittlerweile wirklich ein Klassiker seines Genres, der in ganz Deutschland Beliebtheit genießt und den einen oder anderen Leser außerhalb Frankfurts schon dazu veranlasst hat, einmal nachzuschauen, wo denn der Grüneburgweg liegt, in dem Herr Paul sein Unwesen treibt. Insofern ist Strizz auch ein Werbeträger für Frankfurt.

 

 

*****

Textquellen:

Strizz auf der Online-Präsenz der FAZ abgerufen von >https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/strizz-comic/< am 01.11.2023.

Strizz auf highlightzone abgerufen von >http://comic.highlightzone.de/comic/strizz.html< am 01.11.2023.

Website von Volker Reiche abgerufen von >https://www.volkerreiche.de/< am 01.11.2023.

Volker Reiche im Deutschen Comic Guide abgerufen von >https://www.comicguide.de/persons/Volker-Reiche< am 01.11.2023.

Bericht in der „Welt“ über Volker Reiche anlässlich einer Ausstellung im Olaf-Gulbransson-Museum 2009 abgerufen von >https://www.welt.de/kultur/article4255101/Volker-Reiches-Comics-verbinden-E-und-U-Kultur.html< am 01.11.2023.

Bericht im Tagesspiegel zur (vorläufigen) Einstellung des Strizz-Abdrucks 2011 abgerufen von >https://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/damit-ist-schluss-1879582.html< am 01.11.2023.

Bericht im Tagesspiegel über Reiches autobiograpohische Graphic Novel „Kiesgrubennacht“ abgerufen von >https://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/blick-in-den-abgrund-3531757.html< am 01.11.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Volker Reiche Frankfurt, 2014, Urheber: Smalltown Boy via Wikimedia Commons Copyrighted free use.

Frankfurt, Grüneburgweg 113, 2012, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0 1.0 DEED.

Volker Reiche Buchmesse, 2014, Urheber: Smalltown Boy via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Im Herbst 1775
von Johann Wolfgang von Goethe
MEHR
Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen