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Der Bronstein-Defekt

und andere Geschichten

Christoph Werner

"Ich stellte bald an mir selbst die Verführung durch Zählen und Auswerten fest und empfand die Wonne, Gesetzmäßigkeiten bei gewissen Massenerscheinungen festzustellen. Nichts war vor mir sicher. Als erstes machte ich mich über die Friedhöfe her..."

Die Kronberger Malerkolonie

Die Kronberger Malerkolonie

Ralph Zade

Kronberg im Taunus ist heute einer der begehrtesten Wohnvororte Frankfurts und aufgrund der dortigen Immobilienpreise überwiegend Angehörigen der wohlhabenden Schichten vorbehalten. Diese Beliebtheit hat ihre Gründe – man ist relativ schnell in Frankfurt, hat aber eine sehr schöne, von Grün geprägte Umgebung. Im 19. Jahrhundert war die Verkehrsverbindung nach Frankfurt zunächst noch deutlich schlechter. Verbessert wurde sie erst 1874 mit der Eröffnung der Kronberger Bahn, deren Trasse heute von der S-Bahn befahren wird. Der Ort, der auch heute noch ein ruhiger ist, war deshalb noch ländlicher. Die Umgebung Kronbergs, das damals noch Cronberg geschrieben wurde, war recht pittoresk: Berge und Täler, Wald und Wiesen boten zahlreiche malerische Motive.

Frankfurt war nie eine Kunststadt ersten Ranges, wie Wien, Dresden, München oder im 19. Jh. auch Berlin und Düsseldorf, aber es gab dort stets eine Malereitradition, die nie unterbrochen wurde. Im 18. Jahrhundert hatte diese, mit Malern wie denen der Familie Schütz, einen gewissen Schwerpunkt im Bereich der Landschaftsmalerei. Einen Anziehungspunkt bot das Städel, nicht nur wegen der hervorragenden Kunstsammlungen, sondern ebenso wegen der angegliederten Kunstschule, die Maler auch aus anderen Teilen Deutschlands anzog. Es gab also eine relativ große Anzahl von Malern in der Stadt und mit dem wohlhabenden Frankfurter Bürgertum auch eine Kundschaft für diese.

Gegen Mitte des Jahrhunderts entwickelte sich auch in Deutschland, unter dem Einfluss der Schule von Barbizon, einer um 1830 im Dorf Barbizon am Wald von Fontainebleau gegründeten französischen Malerschule, eine Tendenz zur Freilichtmalerei. Insofern lag es für Frankfurter Künstler nahe, Orte in der Umgebung Frankfurts aufzusuchen, die von ihrer Umgebung her gute Bedingungen für diese Art von Malerei boten. Zwei dieser Künstler waren Anton Burger (1824-1905) und Jakob Fürchtegott Dielmann (1809-1885), die heute als Gründer der Kronberger Malerkolonie gelten; bald kam noch Philipp Rumpf (1821-1896) hinzu. Alle drei hatten in der einen oder anderen Weise am Städel studiert, woraus ein Einfluss von Jakob Becker (1810-1872) resultierte, der dort 1842 Professor für Landschaftsmalerei geworden war und dessen Schüler Burger und Rumpf waren. Beckers Spezialität waren Genrebilder, deren Schauplatz häufig nicht Interieurs sondern Freilichtumfelder boten.

Die Kronberger Malerkolonie, zu der bald weitere Maler hinzustießen, hatte ihre Schwerpunkte in der Genre- und Landschaftsmalerei. Anton Burger, der als Oberhaupt der Kolonie angesehen wurde und großes Ansehen genoss, wurde auch als „König von Cronberg“ bezeichnet. Er hatte einen Schwerpunkt in der Landschaftsmalerei, malte aber auch Genreszenen und arbeitete in beiden Feldern mit beträchtlichem Erfolg – beim Frankfurter Bürgertum waren seine Bilder sehr beliebt, was ihm ein gutes Auskommen sicherte. Jakob Fürchtegott Dielmann schuf ebenfalls sowohl Landschafts- als auch Genrebilder, wobei er u. a. für seine kleinformatigen Landschaften bekannt war. Vielfach malte er davon auch Variationen und probierte unterschiedliche Malweisen und Beleuchtungseffekte aus. Außerdem war er als Illustrator aktiv. Philipp Rumpf, der 1853 gemeinsam mit Burger in Paris gewesen war und dort Camille Corot und Gustave Courbet, bei der Etablierung des Realismus in der Malerei führende und richtungsweisende Künstler, kennengelernt hatte, orientierte sich stärker als andere Mitglieder der Malerkolonie, die der Romantik verhaftet waren, an Realismus und Naturalismus.

Die große Anzahl von Malern, die sich in der Folgezeit in Kronberg ansiedelte, und deren Werk heute in vielen Fällen nur noch Spezialisten ein Begriff ist, wobei sich darunter allerdings auch bekannte Namen wie Wilhelm Trübner oder Carl Morgenstern finden, war von der künstlerischen Richtung her durchaus heterogen. Landschafts- und Genremalerei waren aber auch bei ihnen stark vertreten. Die Malstile reichten von der Romantik bis zum Realismus. Damit waren die meisten Maler der Kolonie zumindest gegen Ende des Jahrhunderts eher konservativ – die in Frankreich zu dieser Zeit schon deutlich spürbare Entwicklung zum Impressionismus hin vollzogen sie nicht mit. Art und Dauer der Bindung zu Kronberg war ebenfalls sehr unterschiedlich – für manche wurde der Ort dauerhafter Wohnsitz, für andere blieb der Aufenthalt Episode. Einer der bedeutendsten Künstler mit Verbindung zur Kronberger Malerkolonie war Hans Thoma (1839-1924), der seit 1878 in Frankfurt lebte und 1899 eine Wohnung in unmittelbarer Nähe des Schlosses Friedrichshof in Kronberg bezog, dem Witwensitz der „Kaiserin Friedrich“, der Ehefrau des 1888, im Jahr seiner Thronbesteigung, verstorbenen Kaisers Friedrich III., die selbst malte und mit Malern der Kronberger Malerkolonie Kontakt hielt, was der Kolonie Auftrieb verschaffte.

1902 wurde – unterstützt durch Anton Burger – der Frankfurt-Cronberger-Künstler-Bund gegründet, eine sezessionistische, impressionistisch orientierte Maler umfassende Künstlervereinigung, deren Ausrichtung von der vieler Künstler der Kronberger Malerkolonie abwich. Das Ende der Malerkolonie wird oft mit dem Todesjahr Anton Burgers, 1905, angesetzt, obwohl in Kronberg bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zahlreiche Künstler ansässig waren.

Heute wird das Erbe der Kronberger Malerkolonie vor Ort im „Museum Kronberger Malerkolonie“ gepflegt. Dieses befindet sich seit einigen Jahren in der Villa Winter, die ehemals Heinrich Winter (1843-1911) gehörte. Der 1810 errichtete Bau stand ursprünglich in der Neuen Mainzer Straße in Frankfurt und wurde, als er 1870 einem Straßendurchbruch weichen musste, nach Kronberg versetzt. Zahlreiche Werke von Malern der Kronberger Malerkolonie befinden sich auch im Städel, manche davon lassen sich in der digitalen Sammlung auch online betrachten.



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Textquellen:

Wiederspahn, August; Bode, Helmut: Die Kronberger Malerkolonie, 3., erweiterte Auflage, Waldemar Kramer Verlag, Frankfurt, 1982.

Opper, Uwe (Hrsg.): Die Kronberger Malerkolonie und befreundete Frankfurter Künstler, Opper, Kronberg, 2008.

Bilder der Kronberger Malerkolonie auf der Website des Städel: abgerufen von >https://sammlung.staedelmuseum.de/de/person/kronberger-malerkolonie< am 11.08.2019.

Website des Museums Kronberger Malerkolonie: abgerufen von >https://www.kronberger-malerkolonie.com/< am 11.08.2019.


Bildquellen:

Vorschaubild: Cronberg etwa 1890–1900, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Das dörfliche Cronberg etwa 1900, Urheber: Bimbes-Karl via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Selbstbildnis Anton Burgers, 1905 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Jakob Fürchtegott Dielmann, 1845, Porträt von Karl Bennert via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Kronberger Interieur mit Bäuerin und Katze, 1904, signiert "A. Burger" via Wikimedia Commons Gemeinfrei.


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