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Hans-Jürgen Malles
Kennst du Friedrich Hölderlin?

Seine Werke gehört neben denen Goethes und Schillers zu den bedeutendsten der deutschen Klassik, auch wenn sein Leben im Wahnsinn endete. Eine Hinführung zum Verständnis von Hölderlins Persönlichkeit und Werk bietet Deutschlehrer Malles hier. Der Leser erhält Einblicke in ein facettenreiches Leben voller Höhen und Tiefen und darf teilhaben an Hölderlins Begeisterung für die Französische Revolution und die griechische Antike. Auch die Liebe zu Susette Gontard soll nicht unerwähnt bleiben.

Friedrichsdorf im Taunus

Friedrichsdorf im Taunus

Sabine Gruber

Wer im 19. Jahrhundert Friedrichsdorf im Taunus besuchte, hörte auf der Straße häufig Französisch, allerdings keines, das man in dieser Form in Frankreich hätte hören können, denn das Friedrichsdorfer Französisch war etwas Besonderes. Es enthielt Wörter aus unterschiedlichen französischen Dialekten und repräsentierte zudem eine frühere Sprachform des Französischen. Als Alexandre Dumas der Ältere während seiner Rheinreise im Jahr 1838 auch einen Ausflug in den Taunus machte, erstaunte ihn das in Friedrichsdorf gesprochene Französisch, denn es enthielt Redewendungen, die er sonst nur von Molière kannte. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Sprachentwicklung in einem deutschen Ort, der später zur Stadt wurde?

Das Gebiet war zwar bereits zur Römerzeit besiedelt, aber der Ort Friedrichsdorf entstand erst relativ spät. Er ist eine Gründung von Hugenotten-Familien, die sich seit 1687 hier niederließen und mit dem Namen der Siedlung ihren Wohltäter Friedrich II. von Hessen-Homburg (1633-1708) ehren wollten. Friedrich II. hatte sie in seine Landgrafschaft Hessen-Homburg eingeladen und sie im Edikt vom 13. März 1687 für zehn Jahre von den Steuern befreit. Ungewöhnlich war, dass die Familien, die sich in Friedrichsdorf niederließen, aus unterschiedlichen französischen Regionen stammten. Die meisten stammten zwar aus der Picardie, aber es gab auch Familien aus der Isle de France, der Provence, dem Languedoc und der Dauphiné. Einige wenige stammten zudem aus Gebieten, die heute zur italienischen Region Piemont gehören. Auch der Sohn und Nachfolger Friedrichs II., Friedrich III. Jacob von Hessen-Homburg (1673-1746) führte den Schutz der neuen Hugenotten-Kolonie und ihre Förderung weiter, unter anderem durch einen Befehl, der 1731 Deutschen untersagte, sich in Friedrichsdorf niederzulassen, was allerdings nur für einige Jahrzehnte Bestand hatte. Im späten 19. Jahrhundert waren bereits 500 der damals 1.200 Einwohner Friedrichsdorfs deutschsprachig. Jedoch kam es auch im 18. und frühen 19. Jahrhundert noch zu weiteren Zuzügen französischer Familien nach Friedrichsdorf.

Dadurch, dass die Einwohner von Friedrichsdorf aus Regionen stammten, in denen unterschiedliche französische Dialekte gesprochen wurden, und dadurch, dass sie, von Frankreich isoliert, an alten, vertrauten Wörtern und Redewendungen festhielten, behielt ihre Sprache zudem vieles bei, das aus der Französischen Hochsprache im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte verschwunden war. Besondere Wörter, die es nur in Friedrichsdorf gab, waren unter vielen anderen „flambe“ für „flamme“ und „rais du soleil“ für „rayons du soleil“, und anstatt „trois jours avant“ sagte man in Friedrichsdorf „trois jours devant“. Durch die Orientierung der Friedrichsdorfer Schule am Hochfranzösischen verschwand das typische Friedrichsdorfer Französisch allerdings mehr und mehr und machte an der Wende zum 20. Jahrhundert immer stärker dem Hochfranzösischen und dem Deutschen Platz. Außerdem vermischte sich das Friedrichsdorfer Französisch zunehmend mit deutschen Lehnwörtern. Während der Schulunterricht lange Zeit ausschließlich in französischer Sprache stattfand, wurde im Jahr 1856, auch wegen des Zuzugs von Deutschen in die Siedlung, der erste deutsche Lehrer angestellt. Der Unterricht fand wie der Gottesdienst jedoch weiterhin überwiegend in französischer Sprache statt. Friedrichsdorf war einer der wenigen Hugenotten-Orte, in denen sich das Hugenottenfranzösisch, vor allem in den Gottesdiensten, bis in das 20. Jahrhundert hielt. Erst im Jahr 1916 fand die letzte französischsprachige Konfirmation statt. Einzelne Personen sprachen noch wesentlich später in Alltagssituationen Französisch. Eine höhere französischsprachige Bildung konnte in Friedrichdorf am „Institut Garnier“ an der heutigen Hugenottenstraße erworben werden, das 1836 zunächst als französischsprachige Handelsschule gegründet und später zu einer Realschule weiterentwickelt worden war. Es wurde nicht nur von gebürtigen Friedrichsdorfern besucht, sondern auch von zahlreichen auswärtigen Schülern, deren Eltern am Institut nicht nur dessen Handelsausbildung schätzten, sondern auch seine Zweisprachigkeit. Das erhaltene Gebäude beherbergt heute die Stadtbücherei und die Kleinkunstbühne „Garniers Keller“. Für Mädchen gab es seit 1849 ein Pensionat, das seit 1899 von Martha von Puttkamer (1860-1920) geführt wurde und sehr beliebt war. Auch dieses Gebäude ist in Privatbesitz bis heute erhalten geblieben.

Dank der guten Handwerksausbildung vieler Mitglieder der französischen Familien, die zu einem großen Teil Weber waren, war Friedrichsdorf schnell wirtschaftlich sehr erfolgreich. Vor allem wurde Leinen und Flanell produziert, und die Weber färbten meistens auch ihre Textilien selbst in sogenannten „Färbhäuschen“. Mehrere dieser kleinen, eingeschossigen Häuschen sind noch heute in der Hugenottenstraße erhalten. Über das Leben und die Arbeit der Färber und Färberinnen und über die Geschichte der Friedrichsdorfer Hugenotten kann man sich auch im ersten Stock des Friedrichsdorfer Museums informieren, das sich im Wohnhaus des – allerdings deutschsprachigen – Philipp Reis (1834-1874), dem Erfinder des Telefons, befindet, und im Erdgeschoss das Leben und die Forschung von Reis sowie Möbel aus seinem Haushalt zeigt (Philipp-Reis-Haus und Hugenottenmuseum: Hugenottenstraße 93, 61381 Friedrichsdorf). Die in den Jahren 1834 bis 1837 errichtete evangelische Kirche nach Entwürfen von Rudolf Burnitz (1788-1849) in der Hugenottenstraße/Ecke Taunusstraße, ist vom schlichten Stil der Hugenotten und ihrem auf dem Alten Testament basierenden Bilderverbot geprägt. Die Landgrafensäule von 1873 am Landgrafenplatz erinnert an den Namensgeber der Stadt Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg.

Neben der Textilproduktion war die Produktion von Zwieback seit dem späten 18. Jahrhundert der zweite wichtige Erwerbszweig von Friedrichsdorf. Als erste Zwiebackfabrik war 1788 die Firma Ferdinand Stemler gegründet worden. Im „Reichs-Medicinal-Kalender“ von 1903 pries sie ihre Produkte als „Specialitäten für Magenleidende, Diabetiker, Kinder etc.“ an. Am Zwieback wurden aber nicht nur seine gesundheitsfördernden Wirkungen, sondern durchaus auch seine praktischen Vorteile durch eine lange Haltbarkeit und Stabilität und seine geschmacklichen Qualitäten geschätzt. Zeitweise verkauften die Friedrichsdorfer Zwiebackfabriken ihre Produkte nicht nur an den Berliner Kaiserhof, sondern bis nach Konstantinopel. Die letzten Zwiebackproduzenten konnten sich bis ins 21. Jahrhundert halten. Heute umfasst Friedrichsdorf auch die eingemeindeten Stadtteile Burgholzhausen vor der Höhe, Köppern, Seulberg und Dillingen. 2022 hatte es 25.662 Einwohner. Partnergemeinden sind das österreichische Bad Wimsbach-Neydharting, Houilles in Frankreich und Chesham in England.

 

 

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Textquellen

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Reichs-Medicinal-Kalender für Deutschland auf das Jahr 1903, Begründet von Dr. Paul Börner. Hg. v. Julius Schwalbe, Teil II, Leipzig, 1903.

Rezension von Ludwig Proescholt: Festschrift zur Feier des 60jährigen Bestehens der Garnier’schen Lehr- und Erziehungs-Anstalt zu Friedrichsdorf (Taunus) 15. und 16. August 1896, Homburg vor der Höhe in: Literarisches Centralblatt, Nr. 43. 24. Oktober 1896, Sp, 1580.

Schmidt, Gustav: Zur Geschichte und Sprache der Hugenottenniederlassung Friedrichsdorf im Taunus in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur, Bd. 13 (1891), S. 255-258.

Sprachgeschichte: Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, 2. Aufl, 4.Teilband, Besch, Werner u. a. (Hrsg.) Berlin/New York, 2004.

>https://www.friedrichsdorf.de/freizeitundkultur/tourismus/sehenswuerdigkeiten.php< abgerufen am 05.08.2023.

>https://www.friedrichsdorf.de/lebeninfriedrichsdorf/unserestadt/geschichte/stadtundstadtteile/zwiebackstadt.php< abgerufen am 05.08.2023.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrichsdorf< abgerufen am 05.08.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: DSC02457 Blick auf Friedrichsdorfer Süden vom Dach der Salus-Klinik, 2023, Urheber: X-angel via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.

Friedrich II van Hessen-Homburg (1633-1708), by studio of Pieter Nason, 1660-1690 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Friedrichsdorf, Institut Garnier, 2014, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.

Friedrichsdorf TS Philipp-Reis-Haus 2, 2007, Urheber: MdE via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Friedrichsdorf, Wilhelmstraße 14a, 2014, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.

 

 

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