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Oberstedten im Taunus

Oberstedten im Taunus

Sabine Gruber

Das frühe zwanzigste Jahrhundert war die Zeit des Aufbruchs in die Natur, der Gartenstädte, der Selbstversorgergärten und der Sonntagsausflüge ins Grüne. Da passte es zum Trend, als der Landrat des damaligen „Obertaunus“, Ernst Ritter von Marx (1869-1944), im Jahr 1908 den kleinen Band „Auf zum Taunus“ herausgab, in dem vor allem für die Ansiedelung von Städtern und Städterinnen im Taunus geworben wurde. Auf ein Ortsporträt folgten Fotos des Ortskerns und bebaubarer Flächen sowie eine detaillierte Karte. Einer der damals beworbenen Orte war das idyllische Oberstedten im Taunus. Über Oberstedten, das damals nur 1.400 Einwohner hatte – heute sind es ca. 6.400 –, hieß es in dem Buch, es sei durch seine „besonders geschützte Lage in äußerst reiner kräftiger Luft und die Fruchtbarkeit“ des „Bodens zu Ansiedelungszwecken wie geschaffen“, und es biete aufgrund seiner Umgebung „von dicht anschließenden herrlichen Waldungen des Taunus und frischen Wiesentälern, die der Dornbach durchfließt […] ein reizendes Landschaftsbild.“ Auch für bestes Trinkwasser aus reinem Quellwasser sei gesorgt. Und obendrein sei Bauland auch noch sehr günstig. Gerade einmal 3 Mark koste der Quadratmeter im Durchschnitt. Nicht zuletzt wurde auf die gute Verkehrsanbindung an Bad Homburg und Frankfurt verwiesen. Sowohl der Ort als auch „die zu Ansiedlungs-Zwecken in Aussicht genommenen Terrains“ seien „durch die Kleinbahn Oberursel-Hohemark und die elektrische Taunusbahn Homburg Höhe-Gothisches Haus schnell und bequem zu erreichen“, Homburg in zehn Minuten, Frankfurt am Main in einer halben Stunde. Tägliches Berufspendeln von und nach Bad Homburg, das damals noch nicht seinen ersten Namensbestandteil führte, oder Frankfurt war also schon damals möglich.

Der Appell, sich im Taunus niederzulassen und dort wesentlich schöner und gesünder zu wohnen als in der Stadt, hatte zumindest in Oberstedten keinen besonders großen Erfolg, denn bis Mitte der dreißiger Jahre war die Einwohnerzahl lediglich auf 1.750 angewachsen. Im Jahr 1909 hatte die gute Luft und die schöne Natur in und um Oberstedten immerhin dazu geführt, dass die Frankfurter Eduard und Adelheid Kann-Stiftung dort ein jüdisches Genesungsheim eingerichtet hatte. 1938 wurden dessen Bewohner von den Nazis vertrieben und das Gebäude teilweise zerstört. Der erhaltene Teil dient heute als Reformhausakademie. Deutlich größer wurde Oberstedten erst seit den fünfziger Jahren, als junge Familien begannen, Einfamilienhäuser im Taunus zu bauen. Damals warb das „Deutsche Handbuch für Fremdenverkehr“ mit ähnlichen Worten für Oberstedten als Urlaubsort wie Jahrzehnte zuvor das von Ernst Ritter von Marx herausgegebene Buch für den Ort als Wohnort geworben hatte. Oberstedten, heißt es dort, sei „unmittelbar am Walde, am Fuße des Hochtaunus gelegen“, landschaftlich reizvoll, und es gebe „viele Möglichkeiten zu Spaziergängen und Wanderungen“ sowie „Berühmte Ausflugsziele in unmittelbarer Nähe (Römerkastell Saalburg)“.

Erste Siedlungstätigkeiten sind in Oberstedten bereits für die Zeit vor über 7000 Jahren durch entsprechende Funde nachgewiesen. Möglicherweise erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort im Jahr 817 als Steti“. Es ist jedoch unklar, ob das „Steti“ der Urkunde eventuell für das in der Nähe gelegene Dorf Mittelstedten stand, das wie Niederstedten seit Jahrhunderten nicht mehr existiert, oder für das am Rande der Wetterau gelegene Dorf Kilianstädten. Oberstedten wurde erstmals im Jahr 1272 urkundlich erwähnt. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte es, wie die benachbarten Dörfer, mehrfach den Besitzer. Im Jahr 1486 gelangte es in den Besitz der Grafen von Hanau-Münzenberg, 1504 an die Landgrafen von Hessen, seit 1622 gehörte es zur Landgrafschaft Hessen-Homburg, 1866 erst zum Großherzogtum Hessen und später im selben Jahr zu Preußen. Die Reformation wurde in Oberstedten im Jahr 1526 eingeführt. Die heutige evangelische Sankt-Nikolaus-Kirche, ursprünglich ein kleiner Saalbau, der in den fünfziger Jahren umgebaut und – unter anderem um einen Turm – erweitert wurde, stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert. Trotz ihrer kleinen Größe, spektakulärer wirkt die neue katholische Kirche St. Petrus Canisius, die eine im Jahr 1960 errichtete, inzwischen abgerissene Kirche ersetzte. Das helle, runde Gebäude mit seinem separaten Glockenturm wurde im Jahr 2010 geweiht. Seit 1972 ist Oberstedten einer der Ortsteile von Oberursel.

Schon im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert war Oberstedten ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für Frankfurter und Frankfurterinnen, die nicht nur der schönen Natur wegen kamen, sondern auch wegen der zahlreichen Einkehrmöglichkeiten vor Ort. Beliebt war vor allem das heute noch bestehende Forellengut Herzberger, das seit 129 Jahren Ausflüglerinnen und Ausflügler nach Oberstedten lockt. Hier können fangfrische oder geräucherte Fische erworben und am Wochenende auch im hauseigenen Restaurant verkostet werden. Deutlich neuer ist der Äppelpark, der an die vielen Streuobstwiesen erinnert, die es früher in der Umgebung von Oberstedten gab. Zu besichtigen sind dort 30 Apfelbäume mit zum Teil alten Sorten. Ein deutlich längerer Rundgang ist auf dem Mühlenweg am Dornbach möglich. Er erinnert an die zwölf Papiermühlen, die einst entlang des Baches der Herstellung von Kartonagen dienten.

Adresse Forellengut

Forellengut 1

61440 Oberursel (Taunus)

(Restaurant nur samstags, sonntags und an Feiertagen geöffnet)

 

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Textquellen

Auf zum Taunus: Unternehmung zur Hebung des Verkehrs und Förderung der Besiedelung im südlichen Taunus: Marx, Ernst von (Hg.), Frankfurt a. M., MCMVIII [1908].

Dehio/Gall: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, München/Berlin, 1950.

Deutsches Handbuch für Fremdenverkehr: Hessen – Rheinland – Pfalz – Westfalen: Wegweiser für Kur, Reise und Erholung, Hrsg. im Auftrage des Bundes Deutscher Verkehrsverbände Frankfurt a. M., Bd. III, 13. Ausgabe mit den Anhängen Arzt und Patient, Erziehung und Schulung, Dienst am Fremdenverkehr einer Übersichtskarte und 17 Gebietskarten, Darmstadt/Berlin, 1952.

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Klockhaus Adressbuch des Deutschen Reichs für Industrie, Handel und Gewerbe, Band 3 B, Berlin, 1936.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Oberstedten< abgerufen am 08.10.2023.

>https://www.oberursel.de/de/rathaus/stadtportrait/oberstedten/< abgerufen am 08.10.2023.

>https://oberstedten.info/< abgerufen am 08.10.2023.

>https://www.geschichts-und-kulturkreis.de/< abgerufen am 08.10.2023.

>https://www.forellengut-herzberger.de/< abgerufen am 08.10.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Oberstedten, 2017, Urheber: One2eins via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.

Taunus in Oberstedten 2021-08-12 11, 2021, Urheber: Leonhard Lenz via Wikimedia Commons CC0.

Oberstedten, Sankt Nikolaus-Kirche (1), 2014, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.

Oberstedten, St. Petrus Canisius, 2011, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.

161009 Forellengut Herzberger 04, 2018, Urheber: 4spring via Wikimedia Commons public domain

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