Am 31. Mai 2016 schlug der Blitz in den Turm der Katharinenkirche ein. Da die Turmuhr heute nicht mehr mit Ketten aufgezogen wird, sondern elektrisch funktioniert, führte das zu ihrem Ausfall. Sie wurde jedoch schnell wieder instand gesetzt. Schon eine Woche später, am 6. Juni, zeigte sie wieder zuverlässig die Zeit an. Bezahlt hatte die schnelle Reparatur die Stadt Frankfurt. Für die Instandhaltung der Kirche ist die Stadt verantwortlich, auch finanziell, weil die Katharinenkirche zu den sogenannten Dotationskirchen zählt. Mit dem Dotationsvertrag von 1830 übernahm die Stadt Frankfurt als Folge der Säkularisation die Instandhaltung von mehreren Innenstadtkirchen – in der Mehrheit evangelische, aber auch drei katholische. Diese Verpflichtung besteht bis heute. Die Katharinenkirche, die evangelische Hauptkirche in Frankfurt, wenige Schritte von der Hauptwache entfernt an der heutigen Haupteinkaufsmeile in Frankfurt, der Zeil, gelegen, war seit jeher in diese Regelung einbezogen.
Auch am 22. März 1944, um 21 Uhr 30, war die Turmuhr stehen geblieben. Zu einer schnellen Instandsetzung kam es damals jedoch nicht. Wieder in Gang gesetzt wurde die Uhr erst zehn Jahre später, im Jahre 1954. Bis dahin erinnerte die stehen gebliebene Uhr an einen der schlimmsten Bombenangriffe auf Frankfurt, der für die Katharinenkirche wesentlich gravierendere Folgen hatte als das Stehenbleiben der Uhr. Die Kirche brannte komplett aus und die historische Inneneinrichtung ging zum größten Teil verloren. Die äußere Erscheinung der Kirche wurde beim 1954 vollendeten Wiederaufbau zwar nahezu originalgetreu wiederhergestellt, die Innenausstattung jedoch neu gestaltet. So teilt die Kirche das Schicksal vieler anderer im Feuersturm das Bombenkrieges untergegangener historischer Frankfurter Baudenkmäler: Das, was man für historisch bedeutend hielt, baute man wieder auf, die Rekonstruktion umfasste jedoch vielfach nicht alle Details, gerade was die Innenausstattung angeht.
Die durch die Kriegszerstörung bedingten Veränderungen fielen besonders radikal aus, von Grund auf umgestaltet worden war die Katharinenkirche aber auch vorher schon mehrfach. Bereits 1345 wurden an der Stelle, an der heute die Kirche steht, aufgrund einer Stiftung des Frankfurter Bürgers Wicker Frosch zwei dem heiligen Kreuz und der heiligen Katharina geweihte Kapellen errichtet. 1522 hielt Hartmut Ibach, ein Gefolgsmann Luthers, in der Katharinenkapelle die ersten evangelischen Predigten in Frankfurt. 1590 legte man die beiden Kapellen zu einer Kirche zusammen. 1678-81 wurde durch den Stadtingenieur Melchior Heßler (1619-1690) ein Neubau errichtet – der erste Neubau einer evangelischen Kirche in Frankfurt nach der Reformation – der dem heute noch (oder wieder) stehenden entspricht. Dabei wurde die Schauseite – bei Kirchenbauten dieser Zeit normalerweise im Westen – an die Nordseite gelegt, weil im Westen die Stadtmauer angrenzte. Der Bau vereinte barocke mit gotischen Elementen und zeichnete sich in der Innenausstattung durch einen besonders reichhaltigen barocken Bilderschmuck aus. Bemalt waren auch die hölzernen Emporen. In der Epoche der Aufklärung, hundert Jahre später – 1778 – entsprach diese üppige barocke Bildverzierung nicht mehr dem Zeitgeschmack. Deshalb übermalte man die Deckengemälde, schlug die barocken Zierelemente ab und strich alle Holzelemente silbergrau. Übrig blieben von der alten Einrichtung nur 83 Bilder – überwiegend biblische Szenen – an den oberen und unteren Emporen. Gut 90 Jahre später, im Historismus, kam es dann zu einer weiteren Renovierung, die zwar überwiegend das Äußere betraf – u. a. machte man die vorher übertünchten Steinquader am Turm wieder sichtbar – aber auch Innendetails: Da man die übermalte barocke Bemalung nicht mehr freilegen konnte, wurde eine einfachere Ausmalung ausgeführt. Versuche zu einer eingehenderen Rekonstruktion scheiterten am Ausbruch des ersten Weltkriegs und in den 30er Jahren soll der Zustand des Innenraums beklagenswert gewesen sein. Nach dem zweiten Weltkrieg – immerhin waren die Emporenbilder, da zur Sicherung ausgelagert, gerettet worden – entschied man sich für eine schlichte Version; die beiden barocken Emporen gibt es, anders als die rekonstruierte Decke, nicht mehr; die Grundfarbe des Innenraums ist weiß. Von den 83 Emporenbildern sind heute nur 8 in der Kirche zu sehen. Das einzige weitere historische Element im Innenraum sind (neben einer spätgotischen Katharinenfigur im Eingangsbereich) eine Reihe von Epitaphien, darunter das des Stifters Wicker Frosch. Der herausragendste Schmuck besteht aus den 17 Glasfenstern von Charles Crodel (1894-1973). Der Haupteingang der Kirche ist heute – da es nun keine Stadtmauer mehr gibt – an der Westseite und an der Nordseite nur noch ein Nebeneingang. An der Außenmauer ist die gotische „Maria mit der Mondsichel“ sehenswert.
In einer Zeit, in der es für Frankfurter Bürger zum guten Ton gehörte, in der Gemeinde präsent zu sein und regelmäßig die Gottesdienste zu besuchen, gingen in der Katharinenkirche die Patrizier der Stadt ein und aus. Wer etwas auf sich hielt, besaß einen eigenen Kirchenstuhl, so auch die Familie Goethe, die gleich zwei davon ihr eigen nannte. Am 20. August 1748 traute der Pfarrer der Katharinenkirche, Johann Philipp Fresenius (1705-1761), „ein sanfter Mann von schönem, gefälligen Ansehen, welcher von seiner Gemeinde, ja, von der ganzen Stadt als ein exemplarischer Geistlicher und guter Kanzelredner verehrt ward“, wie Goethe im 4. Buch seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ schreibt, in der Kirche Johann Caspar Goethe (1710-1782) und Catharina Elisabeth Textor (1731-1808), die Eltern des Dichters. Der ein Jahr und acht Tage später geborene Goethe wurde von Fresenius getauft – ob in der Kirche oder zuhause am Großen Hirschgraben ist nicht restlos geklärt. 1763 wurde Goethe in der Kirche konfirmiert. Er ist nicht der einzige Literat mit Verbindung zur Katharinenkirche – Friedrich Stoltze, der Frankfurter Dialektdichter par excellence, wurde hier nicht nur getauft und konfirmiert, sondern heiratete auch hier.
In unmittelbarer Nähe der Kirche, im später abgebrochenen Katharinenturm an der Stadtmauer, war 1771/1772 Susanna Margaretha Brandt inhaftiert, die am 14. Januar 1772 als Kindsmörderin an der nahegelegenen Hauptwache hingerichtet wurde und posthum als Vorbild für das Gretchen in Goethes Faust zu Bekanntheit gelangte. Heute geht man mit Menschen in Schwierigkeiten barmherziger um und an der Katharinenkirche engagiert man sich u. a. in der Obdachlosenhilfe. Auch die Zeiten größerer Umwälzungen sind für den Moment vorbei – die Kirche ist eine Oase der Besinnung an der von Einkäufern und Berufspendlern geprägten Zeil.
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Bildquellen:
Fotos von Carolin Eberhardt,2021.
Innenraum Kanzelseite, um 1900, gemeinfrei
Literatur (Webseitenangaben Stand 20.8.2016):
Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen II, München, Berlin 2008 S. 258 f.
Institut für Stadtgeschichte (Hrsg.): Rund um die Hauptwache, Ansichten eines Platzes, Frankfurt a.M. 2004, online abrufbar unter http://www.stadtgeschichte-ffm.de/download/hauptwache.pdf
Meldung zum Blitzeinschlag: http://www.fr-online.de/frankfurt/katharinenkirche-frankfurt-blitz-trifft-kirchturmuhr,1472798,34336596.html
Webseite der Katharinengemeinde: http://www.st-katharinengemeinde.de/
Zitat aus Goethes „Dichtung und Wahrheit“ aus: Goethes Werke in sechs Bänden, Frankfurt 1949 ff., Bd. 5, S. 109.