Frankfurt ist eine der internationalsten Städte Deutschlands. Das gilt nicht nur in Bezug auf die hier dauerhaft wohnende Bevölkerung, sondern auch im Hinblick auf die „Expats“, die z. B. für eine der vielen Banken arbeiten, angefangen mit der Europäischen Zentralbank. Auch Touristen gibt es viele – schon deshalb, weil der Flughafen, der der größte Deutschlands ist, es für diejenigen, die dort ankommen, attraktiv macht, zumindest kurz in der Stadt Station zu machen. Und es ist klar, dass es sich in der Kulturstadt, die Frankfurt ist, anbietet, auch für diese große Klientel Angebote zu machen.
So kommt es, dass Frankfurt heute das größte ausschließlich englischsprachige Theater auf dem europäischen Kontinent beherbergt, ein Theater, das schon viele Turbulenzen überstanden hat und sich aktuell (2022) auch wieder in Turbulenzen befindet. Gegründet wurde es 1979 und war damit nach den Theatern in Wien und Hamburg das dritte Haus, das in Europa außerhalb des englischen Sprachraums auf Englisch spielte. Dabei kamen die Theatermacher keineswegs nur aus England. Der Gründer der Keimzelle des English Theatre, Kevin Oakes, stammte aus Südafrika und hatte Mitstreiter aus den USA. Die „Cardboard Clowns“, so der Name des damals gegründeten Ensembles, das seinen Standort in Sachsenhausen hatte, wollten aber nicht in erster Linie die zahlreichen amerikanischen Soldaten ansprechen, die es damals in Frankfurt noch gab – diese hatten ein eigenes Theater. Zielgruppe war vielmehr die „zivile“ englischsprachige Community in Frankfurt, gleichzeitig aber auch die des Englischen mächtigen Frankfurter deutscher Muttersprache. Mit der Verbreitung von guten Englischkenntnissen in der Gesellschaft nahm der Anteil Letzterer zu – heute liegt er bei etwa 70%.
1980 stieß Judith Rosenbauer, eine Schauspielerin aus New York, zum Ensemble und übernahm kurz darauf die Leitung. Mit zwei neuen Mitstreitern führte sie das Theater dann als „Café Theatre“ in der Hamburger Allee 45 fort. In den folgenden 10 Jahren hatte das Theater so viel Erfolg, dass es 1990 in die Kaiserstraße umziehen konnte – die dortige Spielstätte hatte 230 Plätze. Selbst das reichte aber 2001 nicht mehr aus – man suchte eine neue Unterkunft. Allerdings musste man trotz des Publikumserfolges 2002 Insolvenz anmelden – das bedeutete auch das Ende des Engagements von Judith Rosenbauer als Intendantin.
Aufgrund des offensichtlichen Bedarfs wurde das Theater dann aber als „English Theatre“ weitergeführt, die Intendanz übernahm Daniel John Nicolai. Und es gelang auch, eine neue Spielstätte zu finden, die mit 300 Plätzen dem Bedarf gerecht wurde. Es war das 2003 frisch erbaute Gallileo-Hochhaus, der Firmensitz der Dresdner Bank an der Ecke Gallusanlage/Kaiserstraße, der dem Theater Asyl bot. Die ungewöhnliche Schreibweise des Hochhauses mit doppeltem „l“ leitet sich von der Gallusanlage ab. In dem 38-stöckigen Stahlskelettbau nimmt das Theater freilich nur das Erd- und Untergeschoss ein. Die Dresdner Bank und – nachdem sie die Dresdner Bank übernommen hatte – die Commerzbank zeichnete auch für das Sponsoring verantwortlich, das dem Theater fortan das Überleben sicherte: Miete und Betriebskosten wurden von der Bank übernommen.
Daniel John Nicolai, ein gebürtiger Frankfurter, hat die Kontakte zu jungen britischen Theaterleuten ausgebaut. Ein eigenes Ensemble hat das English Theatre nicht – die Schauspieler werden für jede Produktion neu zusammengestellt, sie kommen normalerweise aus England und den USA. Normalerweise gibt es fünf Produktionen pro Jahr. Damit wird ein breites Spektrum abgedeckt, Klassiker gibt es ebenso wie neue Stücke, und es werden auch verschiedene Genres bedient – von Komödien über Thriller und Kriminalstücke bis hin zum Drama. Es ist viel Populäres dabei. Eine Besonderheit ist, dass sich unter den Produktionen stets auch ein Musical findet, das mit 12 Wochen 4 Wochen länger läuft als die anderen Stücke. Ergänzt wird das Programm durch Diskussionsveranstaltungen, die unter der Bezeichnung „StreitClub“ laufen, Lesungen und Sonderveranstaltungen.
Dazu kommt eine Reihe von Angeboten für Kinder und Jugendliche. Diese reichen von Workshops, die sich nicht nur auf aktuelle Produktionen beziehen, sondern auch andere Dinge, wie Teambuilding und Überwindung von Schüchternheit umfassen, über das Programm „Schools on Stage“ (Schulen auf der Bühne), für das Pädagogen an Schulen gehen, um dort zu unterrichten und Projekte mit Schülerinnen und Schülern zu verwirklichen, bis hin zu Theaterproduktionen, die eigens für Kinder und Jugendliche entwickelt werden – davon gibt es bis zu drei pro Saison.
Zum Theater gehört auch „James the Bar“, die sich über zwei Etagen erstreckt und auch über eine Performancebühne verfügt. Benannt wurde die Bar nach James Joyce. Hier kann man den Theaterabend ausklingen lassen.
2022 ist das Überleben des Theaters nun wieder infrage gestellt. Denn die Commerzbank hat das Gallileo-Hochhaus verkauft und will mit ihrem Auszug auch die Unterstützung für das Theater beenden. Das Theater, dessen Standort nur bis April 2023 gesichert ist, verhandelt über einen Verbleib. Ende offen. Man wird aber hoffen können, dass es – falls es nicht zu einer Einigung über die Fortsetzung des Mietvertrages kommt – an einem anderen Ort eine Zukunft hat. Dass es für ein englischsprachiges Theater in Frankfurt einen Bedarf gibt, beweisen die Zuschauerzahlen hinlänglich. Und das English Theatre hat ja schon mehrere kritische Momente überstanden…
Adresse
Gallusanlage 7
60329 Frankfurt am Main
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Textquellen:
Homepage des Theaters abgerufen von >https://english-theatre.de/< am 06.03.2023.
Bericht zur Spielzeit 2022 in der Frankfurter Rundschau abgerufen von >https://www.fr.de/frankfurt/english-theatre-frankfurt-mit-optimismus-in-die-neue-spielzeit-91661440.html< am 06.03.2023.
Das English Theatre Frankfurt im Skylineatlas abgerufen von >https://www.skylineatlas.de/the-english-theatre-frankfurt/< am 06.03.2023.
Bildquellen:
Vorschaubild: Angle front 300, 2008, Urheber: Igortrkulja via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
The English Theatre Frankfurt am Main Entrance, 2007, Urheber: I, Jpp via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Frankfurt, Hamburger Allee 45, 2011, Urheber: Karsten11 via Wikimedia Commons CC0.